Systemische Therapie (auf den ganzen Körper wirkend)

Eine systemische Therapie kommt häufig zum Einsatz, wenn eine lokale Behandlung des Tumors nicht ausreicht oder möglich ist. Die systemische Therapie hat zum Ziel, die Blutversorgung der Tumore einzuschränken, ihre Zellteilung (das Wachstum) zu verhindern oder zu verlangsamen. Eine vollständige Heilung ist mit dieser Therapieform in aller Regel nicht möglich, jedoch eine deutliche Verlängerung der Lebenszeit.

Eine systemische Therapie kommt grundsätzlich in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien als Therapieform in Frage, wenn:

    • eine erhaltene Leberfunktion vorliegt
    • ein guter allgemeiner Gesundheitszustand besteht
    • der Tumor/die Tumore in andere Organe, Gewebe und Knochen gestreut hat/haben

und/oder

    • der Tumor in die Pfortader oder die Lebervene eingewachsen ist.
    • der Tumor nicht mehr durch ein kuratives Verfahren oder durch eine Embolisationsverfahren entfernt oder kontrolliert werden kann
    • der Tumor die Leberkapsel (Gewebe, das die Leber umhüllt) durchbrochen hat.

Diese Kriterien dienen dem Behandlungsteam als ersten Einordnung zu möglichen in Frage kommende Therapien. Durch das Zusammentreffen des Tumorboards kann die Therapieempfehlung der systemischen Therapie ausgeweitet und auch für Patientinnen und Patienten ausgesprochen werden, auf die diese Kriterien nicht umfänglich zutreffen. Grundsätzlich gibt es bei jedem Therapieverfahren weitere absolute und relative Ausschlusskriterien, die immer im Einzelfall mit dem Behandlungsteam besprochen werden müssen.

Für die systemische Therapie stehen verschiedene Wirkstoffklassen zur Verfügung. Diese werden in Immun-Checkpoint-Hemmer, Signalwegehemmer und Antikörper unterschieden.

Die Auswahl der Therapiewirkstoffe richtet sich nicht nur nach den individuellen Voraussetzungen der Betroffenen, sondern auch nach den Empfehlungen der medizinischen Leitlinie für HCC. In dieser Handlungsempfehlung für Ärzte wird eine Unterteilung in Erst-, Zweit- und Drittlinientherapie vorgenommen. Patienten können über mehrere Therapielinie behandelt werden, in Abhängigkeit davon wie gut das Therapieansprechen und die Verträglichkeit des eingesetzten Wirkstoffes ist.

Im Rahmen von Studien können auch lokale und systemische Therapien kombiniert werden.

Anwendung und Darreichungsform von systemischen Therapien

Die eingesetzten Wirkstoffe in der systemischen Therapie werden in Form von Tabletten oder Infusionen verabreicht. Die benötigte Menge ist von Wirkstoff zu Wirkstoff unterschiedlich und kann zusätzlich auch vom Körpergewicht oder weiteren Erkrankungen abhängen. Wann und in welchen Abständen das Medikament verabreicht werden muss, ist ebenfalls sehr verschieden. Die Hersteller der Medikamente haben jeweils für ihren Wirkstoff genaue Empfehlungen zur Dosierung und Anwendung. Für jeden Patienten und jede Patientin wird ein individueller Behandlungsplan erstellt und individuelle Dosisanpassungen vorgenommen.

Nebenwirkungen und Komplikationen

Die unterschiedlichen Wirkstoffklassen haben auch unterschiedliche Nebenwirkungen. Die Aufzählung beinhaltet lediglich die häufigsten Nebenwirkungen. Weitere hier nicht aufgeführte - auch schwerere - Nebenwirkungen sind demnach möglich.

Immun-Checkpoint-Hemmer + Antikörper: Atzolizumab + Bevacicumab oder Durvalumab + Tremelimumab

  • Bluthochdruck
  • Erhöhung bestimmter Leberwerte
  • Proteinurie (Übermäßige Ausscheidung über den Urin)

Erhalten Patientinnen oder Patienten eine sogenannte Immuntherapie (Kombinationstherapie Atezolizumab und Bevacizumab oder Durvalumab + Tremelimumab), dann muss in jedem Fall – auch über die Zeit der eigentlichen Therapie hinaus – beobachtet werden, ob sich in Organen unerwünschte autoimmune Reaktionen zeigen, die behandelt werden müssen. Diese autoimmunen Reaktionen können grundsätzlich alle Organe betreffen. Ein besonderes Augenmerk sollte aber auf den Darm, die Schilddrüse, die Lunge, die Zirbeldrüse und die Leber gelegt werden.

Signalweghemmer: Sorafenib, Lenvatinib, Cabozantinib und Regorafinib

    • Durchfälle
    • Hand-Fuß-Syndrom
    • Veränderung des Blutbildes sowie Bluthochdruck
    • Appetitlosigkeit
    • Gewichtsverlust

Antikörper: Ramucirumab:

    • Fatigue
    • Leukopenie und Neutropenie (zu wenige weiße Blutkörperchen)
    • Durchfall
    • Nasenbluten
    • Bluthochdruck

Symptome und Nebenwirkungen kontrollieren und behandeln – das Tagebuch

  • Frage Sie Ihren Arzt, welche Nebenwirkungen möglich sind.

  • Erfragen Sie auch, welche Hausmittel/Medikamente Sie selbst bei Nebenwirkungen einnehmen dürfen.

  • Beobachten Sie mögliche körperliche Veränderungen und besprechen Sie diese mit Ihrem Arzt oder Ihre Ärztin.

Tipp: Dafür kann es hilfreich sein, ein Tagebuch über Symptome und Nebenwirkungen zu führen, in dem die Beobachtungen notiert werden. Eine frühzeitige Behandlung der Nebenwirkung kann verhindern, dass es zu einem Abbruch der Therapie kommt.

Noch ein Hinweis: Auftretende Nebenwirkungen während einer systemischen Therapie sind in aller Regel normal und bedeuten keinesfalls, dass die Therapie nicht wirkt. Im Gegenteil – Nebenwirkungen können sogar ein Ausdruck für ein gutes Ansprechen auf die Therapie sein.

Medizinische Nachsorge und Weiterbehandlung

Bei allen systemischen Therapien sollte alle 6-12 Wochen ein CT oder MRT durchgeführt werden, um das Therapieansprechen zu kontrollieren. Zusätzlich wird die Entwicklung des Tumormarkers Alpha-Fetoprotein (AFP) überprüft. Weitere Untersuchungen können die Überprüfung der Leberfunktion und des Urins sowie die Kontrolle des Blutdrucks sein.